Ein
deutsch-deutscher Email-Roman*
Gabriel
und Gabriele begegnen sich an einem Tag Ende
August des Jahres 2000 in einem Arbeitsgespräch und sind
augenblicklich
ineinander verliebt. Gabriel wagt den ersten Schritt und lehnt sich per
email
„gefährlich weit“ aus dem Fenster seines
„Aussichtsturmes“ in der Berliner
Innenstadt. So beginnt eine Geschichte der Verstrickung zweier Menschen
mit
unterschiedlichen Kulturen, Weltbildern und Mentalitäten,
obwohl sie sich beide
im „linken Milieu“ verorten. Gabriel ist
gebürtiger Ulmer, politisch als
Achtundsechziger sozialisiert und über Umwege nach der
„Wende“ in Berlin
gestrandet, wo er sich als gut beschäftigter Webdesigner
etabliert hat und zum
politischen Zuschauer geworden ist.
Gabriele, genannt GABI, kam als studierte
Soziologin und alleinerziehende Mutter noch vor dem Fall der Mauer aus
Sachsen
nach Berlin, um zu forschen. Sie arbeitet seit Anfang der neunziger
Jahre bei
einer Organisation für Bürger- und Menschenrechte als
„Dame Öffentlichkeitsarbeit“.
Beide fühlen sich als Umwegegeher mit einer kritischen Distanz
zu ihrer eigenen
Geschichte, zu Politik und Gesellschaft und sind doch geprägt
durch ihre
Herkunft diesseits und jenseits der gefallenen Mauer.
Auch
wenn sich Gabriel und GABI in den Wochen nach
ihrem ersten, zufälligen Treffen weiter begegnen, soweit das
ihr kraftraubender
Arbeitsalltag zulässt, ist ihre Lust aufeinander und auf
Kommunikation
miteinander so groß, dass sie sich unentwegt Briefe
schreiben, am Tag und vor
allem in den Nächten. Und das natürlich per email, in
einem atemlosen
Schlagabtausch. Sie entwickeln eine Sucht nach Austausch und brauchen
ihre
tägliche Dosis Mailkontakt. Wenn sie sich sehen, lieben sie
sich und wenn sie
sich schreiben, reden sie miteinander – oder aneinander
vorbei. Trotz aller
guten Vorsätze und den Sprüngen auf die Metaebene des
Darüberredens, welche
Missverständnisse diese Art der Kommunikation und der oft
unverstandene Kontext
ihrer Erzählungen mit sich bringen: Sie verstricken sich in
ihren unterschiedlichen
Lebenserfahrungen, Bedürfnissen, Interessen, Meinungen und
Hoffnungen, in ihren
Ängsten vor Nähe oder Verlust, in ihrer
Verletzbarkeit und in ihren
Projektionen auf den jeweils anderen. Sie begeben sich
zusätzlich zu ihren
kulturellen und politischen Unterschieden in den allzu bekannten
K(r)ampf der
Geschlechter. Irgendwann ist eine Grenze überschritten, das
gemeinsam
geschaffene, empfindsame Zeit-Raum-Kontinuum ihrer Beziehung beginnt zu
routieren und die Talfahrt in den „slippery ground“
reißt sie mit sich.
Die so
atemlos, witzig und verheißungsvoll begonnene
und zunehmend verrückte Liebesgeschichte wird zu einem
Psychodrama à droit,
das GABI an die Grenzen des Ertragbaren und in einen
Ost-West-Frauenratschlag
treibt. Als Gabriel den Bogen überspannt, ist sie endlich in
der Lage, wieder
logisch zu denken, den Überblick herzustellen und pragmatisch
zu handeln. Fast
vier Monate nach der ersten Begegnung, einen Tag vor Weihnachten, zieht
GABI
die Notbremse ...
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Hundert Prozent Email-Text
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